Die Evangelische Bibliothek des Kirchenkreises Dortmund verfügt über eine der ältesten Lutherbibeln in unserer Stadt,aus dem Jahr 1588. „Biblia – Das ist die gantze Heylige Schrifft / Teutsch“. Ein – leider nicht ganz vollständiges – Exemplar illustriert mit zahlreichen Holzschnitten von Virgil Solis, dem großen Nürnberger Zeichner und Kupferstecher, 1514-1562. Hier die Titelblätter zu den Propheten und zum Neuen Testament mit „schönen Figuren gezieret“, aus denen hervorgeht, dass diese Ausgabe „nach der letzten Edition, so D. Mart. Luth. vor seinem End selbst durchlesen / mit sonderm fleiß corrigirt: Und mit nützlichen Summarien / durch Herrn Petrum Patientem / Doct. etc. zugerichtet“. Petrus Patiens, auch: Peter Geduldig, hat als evangelischer Theologe in Frankfurt und Heidelberg gewirkt.
Da Drucker, Verleger oder Druckort aus diesem Exemplar, dessen erste und letzte Seiten fehlen, nicht zu entnehmen sind, bleibt nur der Vergleich mit anderen Bibelausgaben jener Zeit. Dabei ergibt sich , dass diese Bibel in Frankfurt am Main hergestellt wurde. Dort haben mehrere Drucker und Verleger zwischen 1560 und 1606 Lutherbibeln mit Illustrationen von Virgil Solis herausgebracht: Sigmund Feyerabend, Christoph Egenolff Erben und Lechler. Von der Druckerei Lechler ist eine Lutherbibel aus dem Jahr 1588 bekannt. Zu den Besonderheiten dieser Ausgabe im Vergleich zu ihren Vorgängern sind u.a. zu rechnen: Die Summarien von Petrus Patiens, die Titelseite zum Neuen Testament, deren Bildvorlage der Titelseite des Alten Testamentes entspricht.
Virgil Solis ist einer der wenigen Künstler des 16. Jahunderts, der einen kompletten Bilderzyklus zum Alten Testament und zu den Perikopen des Neuen Testaments schafft. Seine Illustrationen – hier die Holzschnitte zur Schöpfungsgeschichte, zu den erhaltenen Titelseiten Propheten und Neues Testament, Tempel Salomos, Prophet Micha, Lukas und Erster Brief an die Korinther – holen mit den Formen und Figuren des 16. Jahrhunderts die biblischen Texte in die Zeit der Entstehung dieser Bibelausgabe. Wer den Holzschnitt zum Propheten Micha näher betrachtet, wird im Hintergrund die Darstellung des Hirtenfeldes erkennen und die Anspielung auf Micha 5,1: „Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir kommen, der in Israel Herr sei“. Der lutherischen Bibelauslegung folgend, werden das Alte und das Neue Testament vom Künstler nach dem Motto „Verheißung und Erfüllung“ verbunden.