Als mit der Weimarer Verfassung der kirchliche Einfluss auf die Lehrerausbildung und den Schulbereich abnimmt, geht auch die kirchenmusikalische Ausbildung der Lehrer zurück. Die traditionelle Personalunion von (Musik-)Lehrer und Organist bzw. Kantor bröckelt, sodass die Kirchen eigene Anstrengungen unternehmen müssen, um die Qualität und den Fortbestand der Kirchenmusik zu sichern.
In Westfalen setzt sich vor allem der Bochumer Pfarrer Karl Glebe, Vorsitzender der evangelischen Gesangvereine für Westfalen, für eine qualifizierte Ausbildung von zukünftigen Kirchenmusikern ein und überzeugt den Provinzialkirchenrat, eine Kirchenmusikschule zu schaffen.
Von 1925 bis 1963 gibt es in Dortmund eine solche Hochschule für Westfalen, die Kirchenmusiker auf Orgelspiel, Gesang, Chorleitung und Liturgik theoretisch und praktisch vorbereiten soll. Von Anfang an ist die Gründung der Einrichtung mit Problemen behaftet, die bei den Verantwortlichen zu immer neuen Debatten über die Ausrichtung und die Zukunft der Schule führen. Die Musikschule wird als Abteilung des städtischen Konservatoriums errichtet. Kirche und Stadt schließen nach längeren Verhandlungen am 25. Oktober 1930 einen Vertrag, in dem die Aufgaben und Pflichten beider Seiten festgelegt sind. Die Stadt stellt Unterrichtsräume, Musikinstrumente und auch die Lehrkräfte zur Verfügung. Der Westfälische Provinzialsynodalverband stellt Finanzmittel von jährlich 3.000 RM bereit. Bei den Abschlussprüfungen wirken sowohl städtische Vertreter des Konservatoriums wie auch Kirchenvertreter mit. Der Provinzialkirchenrat soll sich nach Kräften darum bemühen, für Unterbringung und Anstellung der Absolventen zu sorgen. Letzteres wird immer dann zum Problem, wenn Gemeinden in finanziell schwierigen Zeiten weniger haupt- oder nebenamtlichen Kirchenmusiker anstellen. Die Stellen im ländlichen Raum sollen in der Regel nebenamtlich wahrgenommen werden, während die städtischen Gemeinden hauptberufliche Stellen einrichten sollen.
Karl Glebe unterrichtet an dieser Schule bis zu seinem Tod im Jahr 1929 Hymnologie, Liturgik, Kirchenmusikgeschichte und Kirchenkunde. Zugleich wird er mit der Leitung der Abteilung betraut. Sein Nachfolger wird Arnold Torhorst, Superintendent des Kirchenkreises Hamm. Als die Studierendenzahlen in den 30er Jahre erheblich zurückgehen, ist der Fortbestand der Einrichtung gefährdet; 1943 kommt es faktisch zur Schließung. In der Zeit des Niedergangs übernimmt der Dortmunder Pfarrer Hans-Ludwig Kulp die Fortführung der Kurse und trägt wesentlich dazu bei, dass nach dem Krieg, die Kirchenmusikschule in Dortmund zunächst wieder belebt werden kann. Die Debatten um die Fortführung der Schule nach 1945 kreisen zum einen erneut um das Verhältnis Kirche-Stadt, zum andern um die Eingliederung als Abteilung in die inzwischen neu errichtete Westfälische Landeskirchenmusikschule in Herford. Deren Leiter, Professor Wilhelm Ehmann, stellt wiederholt bei den Abschlussprüfungen in Dortmund qualitative Mängel der Dozenten und Defizite bei den Absolventen fest.
Bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen der Kirchenmusikschule 1956 versichert Präses Ernst Wilm in seinem Grußwort, dass das westliche Westfalen „diese Stätte kirchlicher Arbeit und kirchlichen Dienstes“ weiterhin braucht. Als dann aber die Studierendenzahlen erneut zurückgehen, wird 1963 die kirchliche Ausbildungsstätte in Dortmund geschlossen.
Günter Birkmann